FZMw Jg. 9 (2006) S. 21–75

Aspekte der Aufführungspraxis oder: Wie klingt eine historisch informierte Spielweise der Operette?

von Kevin Clarke

I. Einleitung

Je feierlicher die Traditionalisten die Tradition berufen, desto schlimmer verhunzt ihr gegenwärtiges Tun die Vergangenheit, die es verteidigen soll.[1]

Lassen Sie uns für einen Moment die Operette vergessen, zu der man laut Bertram Steiner ohnehin erst "als Veteran des Existenzialismus" gelangt.[2] Wenden wir uns stattdessen einem anderen hochgradig artifiziellen Genre zu: der Barockoper. Die Bühnenwerke von Händel, Vivaldi, Scarlatti und ihren Zeitgenossen erleben seit Beginn der 1970er Jahre eine bemerkenswerte Renaissance; Händel zählt mittlerweile zu einem der meistgespielten Opernkomponisten überhaupt, und selbst musikdramatische Nebenwerke aus seiner Feder liegen heute in mehrfachen modernen Einspielungen vor. Wer hätte solch eine Entwicklung vor 30 oder 40 Jahren für möglich gehalten?

     Das Alte-Musik-Revival ging einher und wurde überhaupt erst möglich gemacht durch die so genannte "Historische Aufführungspraxis" oder "Historisch informierte Aufführungspraxis". Ihre Vorreiter, zu denen besonders der Dirigent Nikolaus Harnoncourt zählt, bemühten sich mit durchaus revolutionär zu nennendem Elan, die feierlich 'kaputt' gespielte Alte Musik zu neuem Leben zu erwecken, oder anders formuliert: sie versuchten sie wieder mit 'prallem' Leben zu füllen. Dabei nahmen sie in Kauf, die Musikwelt (Kritiker, Musiker, Wissenschaftler, Liebhaber) aus ihren tradierten Hörgewohnheiten herauszureißen und mit Spielarten der Barockmusik zu konfrontieren, die wieder Gestaltungsmittel der barocken Rhetorik einsetzten und im Bereich Artikulation, Phrasierung und [SEITE: 21 | SEITE: 22] Tempowahl ungewohnt 'neue' alte Wege gingen, Wege, die sich auf lang ignorierte Beschreibungen aus der Entstehungszeit dieser Musik beriefen. Die Protagonisten der heutigen "Historischen Aufführungspraxis" – neben Harnoncourt sind beispielsweise René Jacobs, John Eliot Gardiner, William Christie und Marc Minkowski zu nennen – arbeiten überwiegend mit Spezialorchestern zusammen. Auch sie sagten sich radikal los von der 'erhabenen' Spielweise der Barockmusik und lassen die früher meist groß besetzte, mit 'weihevollen' Tempi und der Aura des Sakralen umgebene Musik wieder 'swingen', indem sie kleine Ensembles mit experimentierfreudigen Instrumentalisten engagieren, die bereit sind, die metronomgenaue, vormals gern als "Nähmaschinengeratter" belächelte Musik zugunsten der barocken Lehre von schweren und leichten Taktzeiten und dem damit verbundenen 'Drive' aufzugeben. Diese spezialisierten Musiker reizen ihre teils rekonstruierten "historischen" Instrumente oft weit über die Grenzen des Wohlklangs hinaus aus und kosten jede ungewohnte instrumentale Schärfe aus, was der Musik eine lange nicht für möglich gehaltene Aggressivität und Expressivität (zurück)gibt. Die Dirigenten der "Historischen Aufführungspraxis" arbeiten außerdem mit neuartigen Sängertypen zusammen, die alte Vortragsmethoden und Stimmideale neu zu beleben verstehen, u. a. vibratoarme, extrem bewegliche voci bianchi für die reich ausgezierten Koloratur-Partien und Countertenöre bzw. Mezzosoprane als Kastratenersatz. Dadurch wird insgesamt ein breit gefächertes Ausdrucksspektrum (re)kreiert, das die Alte Musik in schillernden, vitalen Farben neu aufscheinen lässt. Verkürzt formuliert kann man sagen, dass sich die "Historische Aufführungspraxis" vom musealen Schönklang der Barockmusik verabschiedet und ihr ihre rauen Kanten zurückgegeben hat. Seither 'kracht' und 'quietscht' es unten im Orchestergraben und oben auf der Bühne mächtig, wenn jemand wie René Jacobs dirigiert oder Sängerinnen wie Cecilia Bartoli Barockmusik präsentieren. Dadurch ist Alte Musik wieder zu jenem erregenden Ereignis geworden, dass sie laut Überlieferung im 17. und 18. Jahrhundert tatsächlich war. Ferner ist sie (wieder) zu einer beinahe popmusikartig erfolgreichen Gattung geworden, wie besonders die spektakulären Verkaufszahlen der CDs von Medienstars wie Cecilia Bartoli belegen.

     Das große Problem der "Historischen Aufführungspraxis" Alter Musik ist, dass trotz aller Erfolge niemand genau sagen kann, ob der [SEITE: 22 | SEITE: 23] praktizierte Historismus mit wirklichen historischen Klangbildern übereinstimmt. Schließlich weiß man bis heute nicht (und wird auch nie wissen), wie vor 300 Jahren tatsächlich musiziert wurde. Trotz aller Texte und Bilder zur Aufführungspraxis des 17. und 18. Jahrhunderts gibt es keine Tondokumente. Wie glücklich können sich im Kontrast dazu Interpreten und Forscher wähnen, die sich der Operette nähern wollen. Speziell von der Modernen Operette – den in der Fachliteratur meist als "Silberne Operetten" bezeichneten Werken des frühen 20. Jahrhunderts und den Jazz- bzw. Revueoperetten der 1920er und 30er Jahre – gibt es reichlich Ton- und teils sogar Filmdokumente, von allen wichtigen Stücken und von allen wichtigen Interpreten, oft sogar jenen der Uraufführung.

     Jürgen Kesting schreibt in seinem Buch Die großen Sänger: "Es ist reizvoll und herausfordernd, Sänger zu hören, die ihre Partie noch mit dem Komponisten oder sogar für die Uraufführungen studiert haben."[3] Was Kesting für die Oper formuliert, gilt in gleichem Maße für die Operette. Grundsätzlich kann man für sie ebenso wie für die Oper und Musik überhaupt konstatieren:

Werktreue, Grundbedingung jeder Darstellung eines musikalischen Kunstwerkes, ist nicht unbedingt identisch mit notengetreuer Wiedergabe. Ja, Unkenntnis der Notierungsgepflogenheiten früherer Zeiten kann sogar Werk-Untreue zur Folge haben […]. Spielen und Singen, wie es dasteht, ist durchaus nicht immer korrekt.[4]

Da viele der Werke aus der so genannten "Silbernen Epoche" noch stets im Spielplan deutschsprachiger Bühnen zu finden sind – von der Lustigen Witwe über die Csárdásfürstin und Gräfin Mariza bis zum Land des Lächelns – und zudem in jüngster Zeit viele dieser Titel für CD und DVD im Rahmen eines neu erwachten Interesses an der Kunstform Operette neuerlich eingespielt werden, wäre es lohnend zu ermitteln, wie man diese Stücke eigentlich "korrekt" im Sinn einer historisch informierten Aufführungspraxis spielen könnte. Uwe Schneider bemerkt in einem Artikel über die Uraufführungssänger verschiedener Lehár-Operetten, die in einer restaurierten Neuausgabe ihrer Aufnahmen durch die Firma "Truesound Transfers" zu erleben sind: [SEITE: 23 | SEITE: 24]

Die […] CDs sind ein Plädoyer für die Notwendigkeit des theatralischen Moments bei der Interpretation, anders als bei den meisten Operettenstars der LP- oder gar CD-Zeit spielen hier das Spiel und der Umgang mit dem Wort eine zentrale Rolle; will man sich der Operette ernsthaft neu nähern, führt an dieser Tradition – und damit an diesen Dokumenten – kein Weg vorbei.[5]

Ausgehend von diesem Verdikt und von dieser Beschreibung des Unterschieds zwischen den frühen Operettenaufnahmen und den späteren der LP- und CD-Ära, möchte ich Sie zu einem Streifzug durch die Operettengeschichte auf Tonträger einladen, mit der Frage im Hinterkopf: Wie klang Operette in der Urgestalt, und wie verhält sich diese Urgestalt zu dem, was wir heute allgemein als Operette kennen? Und: Könnte man im Sinne einer "Historischen Aufführungspraxis" etwas lernen von den Ton-, Bild- und Textdokumenten der Operette in Urgestalt? Könnte man mit der Anwendung dieses Wissens das Genre gleich der Barockoper wieder allgemein populär machen, indem man es befreit von einer Aufführungspraxis, die der Gattung nach dem Zweiten Weltkrieg das denkbar schlechteste Image verschafft hat?

 

Abbildung 1:

Typisches Folklore-Cover auf einem Operettenführer
von Fred Bredschneyder aus dem Jahr 1972

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II. Die Lustige Witwe: Die Geburt der Modernen Operette

Beginnen wir den Streifzug mit der Lustigen Witwe. Franz Lehárs Operette aus dem Jahr 1905 war nicht nur für den Komponisten der internationale Durchbruch, sondern zugleich die Geburtsstunde der Modernen Operette, heute meist "Silberne Operette" genannt. Wobei der Gebrauch dieses Begriffs problematisch ist, da er von nationalsozialistischem Gedankengut schwer belastet ist. Für die Nazis war die von amerikanischen Tanzrhythmen durchtränkte Jazz-Operette der 1920er Jahre (z. B. Bruno Granichstaedtens Der Orlow 1925, Emmerich Kálmáns Herzogin von Chicago 1928 oder Paul Ábraháms Blume von Hawaii 1931) "entartet", weswegen sie die älteren Werke von Johann Strauss (Die Fledermaus 1874, Eine Nacht in Venedig und Der lustige Krieg 1876, Der Zigeunerbaron 1885), Karl Millöcker (Gräfin Dubarry 1879, Der Bettelstudent 1881, Gasparone 1884, Der arme Jonathan 1890) und Carl Zeller (Der Vogelhändler 1891, Der Obersteiger 1894), die überwiegend auf dem Rhythmus des Wiener Walzers basieren, als "Golden" bezeichneten und als dem deutschen Singspiel à la Lortzing gleichberechtigt auf die Bühne zurückholten. Gleichzeitig betitelten sie die nach 1900 entstandenen, aus damaliger Sicht also zeitgenössischen und überwiegend austrojudäischen Operetten von Lehár, Kálmán, Ábrahám, Granichstaedten, Leo Fall (Der fidele Bauer und Die Dollarprinzessin 1907, Die Rose von Stambul 1916, Madame Pompadour 1923) und Oscar Straus (Ein Walzertraum 1907, Der tapfere Soldat 1908, Der letzte Walzer 1920, Eine Frau, die weiß, was sie will 1932) als "Silbern" und suggerierten damit eine Minderwertigkeit der Werke gegenüber jenen aus dem 19. Jahrhundert. Im Geleitwort zur Neuausgabe des Reclam Operettenführers schreibt Staatsrat Hans Severius Ziegler, Initiator der Düsseldorfer Ausstellung "Entartete Musik", 1939:

Die geschmackvolle und musikalisch kultivierte Operette älterer und neuer Zeit ist nichts anderes als das moderne Singspiel und eine Schwester des Schwanks, dessen Berechtigung noch von keiner Seite angezweifelt worden ist. Selbstverständlich hat das Dritte Reich die typisch jüdische und stark verjazzte Operette allmählich ausschalten müssen […]. Gewiß wäre es wünschenswert, daß wir zur Ergänzung unseres heutigen Operettenschatzes wieder einmal komische [SEITE: 25 | SEITE: 26] Spielopern von der Leichtigkeit und wirklichen Humorigkeit des Lortzingschen 'Wildschütz' bekämen, was im Interesse einer geschmacksbildenden Erziehung des Publikums, dessen Stilgefühl und Sinn für Unterhaltung nicht weiter verflachen darf, liegt.[6]

 

Abbildung 2:

Otto Dix, "Großstadt" (Mittelteil), 1928.
Das dekadente 'jazzige' Leben im Berlin der 1920er Jahre,
das die Nazis nach 1933 auszumerzen versuchten

Klangbeispiel 1: 

Paul Ábrahám, "Do-do-do" aus Viktoria und ihr Husar, mit Oscar Dénes
und dem Paul Godwin Tanzorchester, Dir. Alois Melchiar
(Aufnahme: 1930)

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Abbildung 3:

"Deutschland – das Land der Musik"
Werbeplakat von L. Heinemann aus dem Jahr 1937
(hergestellt im Auftrag der Reichsbahnzentrale für den Deutschen Reiseverkehr, Berlin)

Klangbeispiel 2: 

Karl Millöcker, "O, daß ich jener Räuber wäre" aus Gasparone,
mit Julius Patzak und Mitgliedern des Orchesters der Staatsoper Berlin, Dir. Leo Blech
(Aufnahme: 1935)

Anstelle von "Goldener" und "Silberner" Operette spricht Karl Westermeyer in seinem 1931 erschienenen Buch Die Operette im Wandel des Zeitgeistes: von Offenbach bis zur Gegenwart von "klassischer" und "romantischer" Operette. Die klassischen Werke sind für ihn jene von Offenbach und Zeitgenossen (wie etwa vom britischen Team Gilbert und Sullivan); ihre Werke nennt er einen "zeitkritisch geistvolle[n] Humorspiegel". Die romantischen Operetten sind seiner Unterteilung zufolge die Werke von Johann Strauss und Nachfolgern ("Die Operette unter [SEITE: 27 | SEITE: 28] der Herrschaft des Wiener Walzer"). Westermeyer gruppiert die späteren Spielarten der Operette nach 1905 bzw. 1918 unter dem Schlagwort "Gegenwartsoperette".[7] Damit charakterisiert er nicht nur das Besondere der jeweiligen Epochen besser und ideologiefreier; er vermeidet auch jene fast schon fatal zu nennende Einstufung, die Volker Klotz vornimmt, der dank seines 1991 erstmals veröffentlichten Buchs Operette: Porträt und Handbuch einer unerhörten Kunst bekannteste deutsche Operettenforscher, für den Offenbach der einzig "authentische" Operettenkomponist ist. Dadurch wird der Eindruck erweckt, alle Operetten, die nicht dem offenbachschen Modell folgen, also kein "zeitkritisch geistvoller Humorspiegel" sind, wären keine richtigen Operetten. Als Definition ist das fast so problematisch wie die Behauptung der Nazis, dass die Walzer-Operetten von Johann Strauss den Jazz-Operetten von Ábrahám und Granichstaedten künstlerisch überlegen seien.[8]

     Westermeyer spricht im Zusammenhang mit der Lustigen Witwe von der Geburtsstunde des "neuzeitlichen Wiener Stils", aus dem sich die gesamte moderne Operette entwickelte.[9] Denn die Witwe hatte – allein schon wegen ihres sensationellen weltweiten Erfolgs, auch und besonders in den USA – Vorbildfunktion für alle folgenden Stücke, die diesem internationalen Erfolg (erfolgreich) nacheiferten. Karl Farkas bemerkt:

Die Operette […] hat sich eigentlich überlebt, weil sie seit der 'Lustigen Witwe' immer dieselben Bücher hat. Es gibt immer zwei Liebespaare, von denen man von Anfang an alles weiß. Das eine zerkracht sich im 2. Akt, um sich todsicher im letzten zu finden, das andere singt zwei Duette, tanzt und sorgt für die Komik.[10]

Die Protagonisten der Lustigen Witwe, Hanna Glawari und Graf Danilo, wurden zu einer Art Prototyp. Ihren Konflikt (Liebe als stolzes Kräftemessen zweier gleichstarker Partner) stellte man bis 1938 wieder und wieder dar, in immer neuen Kostümen und mit immer neuer Musik, als 'Thema mit Variationen' sozusagen. Wobei in den Variationen die Kunst und durchaus der Reiz des Genres Operette liegt.

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III. Auf der Suche nach den verlorenen Ironiesignalen: Operette als avantgardistische Kitschkunst

Wegen ihrer Vorbildfunktion für die moderne Operette wäre es interessant zu wissen, wie Hanna und Danilo 1905 klangen. In der Neuausgabe des Lexikons Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG) schreibt Harald Haslmayr über die Einspielung der Operette unter Leitung von John Eliot Gardiner, dass "erst Gardiner [dem Stück] in seiner 1995 erschienenen (musikalischen) Gesamtaufnahme […] die ästhetisch überaus überzeugende Originalgestalt wiedergegeben hat."[11] Originalgestalt, möchte man meinen, heißt hier: wie bei der Uraufführung. Das wäre auch zu erwarten bei einem Dirigenten wie Gardiner, der seit Jahren versucht, mit Originalinstrumenten die Musik Bachs, Händels und Berlioz' so erklingen zu lassen, wie sie angeblich "ursprünglich" geklungen hat. Hören wir also aus der bei Deutsche Grammophon erschienenen Witwe-Aufnahme (DG 439 911-2) eine Stelle an, anhand derer man Urteile über das Ganze fällen kann, beispielsweise das Duett "Lippen schweigen". Es ist das erotisch aufgeladene Operetten-Liebesduett schlechthin, Matrix für alle späteren Lento-Liebeserklärungen der Modernen Ära.

Klangbeispiel 3: 

Franz Lehár, "Lippen schweigen" aus Die Lustige Witwe,
mit Cheryl Studer, Boje Skovhus und den Wiener Philharmonikern, Dir. John Eliot Gardiner
(Aufnahme: 1995)

Bei Gardiner, der nicht mit einem seiner üblichen Spezialensembles arbeitet (z. B. dem 1990 von ihm gegründeten Orchestre Révolutionnaire et Romantique), sondern stattdessen die Wiener Philharmoniker mit schwelgerisch symphonischer Geste dirigiert, singen Boje Skovhus den Danilo und Cheryl Studer die millionenschwere Witwe. Gardiner wählt also reine Opernsänger als Protagonisten, im Fall von Studer sogar eine ausgewiesene Wagnersängerin mit großer, üppiger, dramatischer Sopranstimme, und er wählt ein Orchester, das von Fragen der "Historischen Aufführungspraxis" in jeder Hinsicht unberührt ist. Man mag das insofern "ursprünglich" nennen, als schon Robert Stolz in seiner Aufnahme der Lustigen Witwe 1958 das gleiche Orchester mit der [SEITE: 29 | SEITE: 30] gleichen schwelgerisch-symphonischen Geste dirigiert hatte (Decca 460 593-2). Auch Stolz, der sich zum "letzten Überlebenden einer großen Tradition" verklärte und in seiner Autobiografie sogar zum Uraufführungsdirigenten der Lustigen Witwe erklärte (was nicht stimmt, wie Eugen Semrau nachgewiesen hat[12]), wählte für seine Witwe-Aufnahme ein reines Opern-Ensemble, mit Hilde Güden aus dem Ensemble der Wiener Staatsoper als Glawari und Per Gunden als Danilo. Es hat sich also seit den 1950er Jahren in Besetzungs- und Orchesterfragen wenig geändert bei der Operette, auch nicht bei einem so prominenten Protagonisten der "Historische Aufführungspraxis" wie John Eliot Gardiner.

Klangbeispiel 4: 

Franz Lehár, "Lippen schweigen" aus Die Lustige Witwe,
mit Hilde Güden, Per Gunden und dem Orchester der Wiener Staatsoper (Wiener Philharmoniker), Dir. Robert Stolz
(Aufnahme: 1958)

Gardiners Aufnahme des Stücks ist typisch für die Lustige Witwe, wie man sie heute auf Platte kennt. Die Namen wechseln – mal singt René Kollo den Danilo, mal Erich Kunz oder Thomas Hampson, mal Felicity Lott die Glawari, mal Elizabeth Harwood oder Anneliese Rothenberger – aber immer bleiben es Opernsänger mit nobler Stimme und erlesener Gesangskultur, die versuchen, exzentrische Figuren zum Leben zu erwecken, ohne dabei zu exzentrischen vokalen Mitteln zu greifen. Das Resultat ist nicht nur im Fall von Studer und Skovhus eine mit gleichmäßig geführter Stimme und perfektem Registerwechsel gestaltete anonyme Nummer, deren Text man wegen des Ausgleichs der Vokale und dem Vermeiden von Konsonanten kaum versteht und der jede sprachliche und musikalische Pointiertheit fehlt – somit auch jeder Witz und Biss. Das Duett wird dadurch (auch bei Gardiner) zu einem Wunschkonzertstück degradiert, ohne dramaturgische Bedeutung, ohne Charakter eigentlich, ohne textliche Nuancierung und deshalb ohne nennenswerten Erotikfaktor. Das ist denn auch das Bild, das die meisten Menschen heute von Operette haben. Man meint gemeinhin, Operette bestehe aus schönen Melodien, die man losgelöst von der jeweiligen Operettengeschichte konsumieren könne, am besten gesungen von bekannten Opernsängern mit anerkannt 'schönen' Stimmen, die [SEITE: 30 | SEITE: 31] sich um den für unwichtig (= banal) erklärten Text nicht weiter kümmern müssen.

     Wie anders war das im Fall der Uraufführung und im Fall der Uraufführungssänger Louis Treumann und Mizzi Günther. Glücklicherweise gibt es von ihnen umfangreiche Auszüge der Lustigen Witwe auf Platte, die sie 1906 im Wiener Studio der Firma "Gramophone & Typewriter" aufnahmen, darunter auch das Duett "Lippen schweigen".[13] Es ist somit eine kurz nach der Uraufführung entstandene Aufnahme, von der man annehmen darf, dass sie die ursprüngliche Gestalt des Werks – so wie es in der vom Komponisten 1905 einstudierten Fassung im Theater an der Wien klang – zumindest teilweise widerspiegelt (Truesound Transfers TT-2111N).

     Bernard Grun spricht in seiner Kulturgeschichte der Operette im Zusammenhang mit Treumann und Günther vom "ersten modernen Operettenpaar", das genau wie die Witwe für alle weiteren Operetten und Operettenpaare Vorbildfunktion hatte.[14] Hört man Treumanns Danilo, erlebt man einen Schock. Denn er singt in der wirklich ursprünglichen Gestalt vollkommen anders, als alle späteren, auf Platte festgehaltenen Interpreten.

Klangbeispiel 4b: 

Franz Lehár, "O Vaterland, du machst bei Tag" aus Die Lustige Witwe,
mit Louis Treumann und Orchester, techn. Aufnahmeleiter: Franz Hampe
(Aufnahme: 1906)

Abbildung 4:
Louis Treumann
Uraufführungssänger des Danilo in der Lustigen Witwe und viel kopierter,
[SEITE: 31 | SEITE: 32]
grotesk-komischer Operettenheld der Modernen Ära; 1943 in Theresienstadt ermordet

Mit Treumann betritt ein Danilo die Klangbühne, dem mit Bezeichnungen wie "Jugendlicher Tenor", "Kavaliersbariton" oder "Charaktertenor" nicht beizukommen ist. Stattdessen hört man eine Stimme: die Stimme der frühen Silbernen Operette, weit entfernt von der Oper und ihrem belcantesken Klangideal, vielmehr vom Vaudeville, Kabarett und Chanson kommend und entsprechend rau, exaltiert, unverbildet und direkt klingend. Darin ähnelt Treumann einem großen Operettendarsteller der vorangegangenen Ära, Alexander Girardi (1850-1918), der die Uraufführung vieler "Romantischer Operetten" gesungen hatte, darunter die des Zigeunerbaron, Bettelstudent und Zigeunerprimas. Auch er singt – man könnte besser sagen: 'rezitiert' – in seiner Aufnahme der letztgenannten Kálmán-Operette aus dem Jahr 1912 fernab von allem Opernhaften eher kabarettistisch als klanglich gerundet seinen Text, auf Nuancen und Pointen bedacht sowie um ein wirkliches Charakterporträt bemüht, nicht um anonymen Schöngesang. Gerade bei seiner Darstellung des alternden Zigeunerprimas merkt man, dass die Partie im Grunde eine Art "König-Lear-Partie" der Operettenliteratur ist, was jedoch nur bei einem Darsteller vom Format Girardis deutlich wird, der eben nicht singt, was in den Noten steht, sondern das Material völlig frei behandelt. Genau wie es Treumann als Danilo tut.

Klangbeispiel 5: 

Emmerich Kálmán, "Ach, wie ändert sich die Zeit" aus Der Zigeunerprimas,
mit Alexander Girardi und Orchester, Dir. Emmerich Kálmán
(Aufnahme: 1912/13)

Klangbeispiel 6: 

Emmerich Kálmán, "Ach, wie ändert sich die Zeit" aus Der Zigeunerprimas,
mit Josef Metternich und dem Orchester des Nordwestdeutschen Rundfunks, Dir. Franz Marszalek
(Aufnahme: 1949)

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Treumanns Danilo, wie er auf Platte zu erleben ist, ist in erster Linie Komiker, der die Erotik der Lustige Witwe-Handlung auf einzigartige Weise durch groteske Effekte zu suggerieren versteht. Wer sich fragt, wie ein Groteskkomiker – zudem ein in der Aussprache bewusst 'jüdelnder' – einen Bonvivant glaubhaft spielen könne, der sei verwiesen auf die berühmten Groteskkomiker der Stummfilmära. Ihr Darstellungsstil entspricht, glaubt man den Kritiken der Uraufführungen, dem, was auch auf den Operettenbühnen Wiens und Berlins zu sehen war und natürlich auch am Broadway, wo die entsprechenden Operetten mit kurzer zeitlicher Verzögerung ebenfalls erfolgreich liefen. Betrachtet man Komiker wie Harold Lloyd, Buster Keaton oder Charlie Chaplin, die auf Film jenen Darstellungsstil festhielten, der für Operetten- und Vaudeville-Bühnendarsteller ebenso gültig war, hat man es mit attraktiven Männern zu tun, die ihre durchaus sinnliche Wirkung nicht über äußerliche Attraktivität, sondern über anrührende Komik erzeugen.

 

 

Abbildung 5:

Charlie Chaplin, der sicher einen grandiosen Danilo
à la Louis Treumann in der Lustigen Witwe abgegeben hätte

Später war zu Tonfilmzeiten auch Frauenheld Cary Grant kaum je liebenswerter als in dem Moment, wo er in Leoparden küsst man nicht (1938) den vertrottelten Wissenschaftler mimte, der in seiner [SEITE: 33 | SEITE: 34] Tollpatschigkeit das Herz von Katherine Hepburn im Sturm erobert. Im vergleichbaren screwball comedy-Stil eroberte auch der groteske Treumann das Herz des Wiener Publikums. Er war bis Anfang der 1930er Jahre ein vielgeliebter und vielbeschäftigter Star der Modernen Operette und gestaltete noch 1930 die Uraufführung von Ábraháms Viktoria und ihr Husar mit. Seine Kunst ging wenig später – nach dem "Anschluss" Österreichs im Jahr 1938 – verloren. Es ist das gleiche Jahr, in dem Johannes Heesters am Münchner Gärtnerplatztheater zum neuen Danilo-Idol sowie zu Hitlers und Lehárs neuem Lieblingsinterpreten der Rolle wurde. Seither ist eigentlich fast jeder Danilo eine Heesters-Kopie. Treumann dagegen vergaß man so sehr, dass er im bereits zitierten MGG-Artikel zur ursprünglichen Gestalt der Witwe nicht einmal erwähnt wird. Man könnte sagen, dass die Nazis in ihrem Bemühen um eine Neudefinition der Operette im Fall Treumann/Lustige Witwe gründliche Arbeit geleistet haben. Aber schließlich handelte es sich bei der Witwe ja auch um die erklärte Lieblingsoperette des Führers.[15]

     Treumanns Bühnenpartnerin bei der Uraufführung der Lustigen Witwe war, wie in so vielen anderen Fällen, Mizzi Günther. Von ihr schreibt Grun:

Ihre Schönheit und ihr Temperament machten sie im Verein mit einer außergewöhnlich klangvollen Sopranstimme und der Pikanterie ihrer Darstellungskunst zur großen Operettendiva ihrer Zeit. Arthur Schnitzler hat ihre schillernde Persönlichkeit in einem einzigen Satz eingefangen: 'Wenn man der Wiener Operette ein Denkmal setzen wollte, müßte es die Züge Mizzi Günthers tragen.'[16]

Hört man ihre Aufnahme, fällt sofort auf, dass auch für die Rolle der Hanna Glawari bei der Uraufführung keine Opernsängerin gewählt wurde, sondern eine kabarettistische, aparte, fast zerbrechliche Stimme, mit einem gewissen unschuldigen ("pikanten") Unterton, weit entfernt von allem pompös Opernhaften. Der britische Kritiker Patrick O'Connor schreibt über Günther: "She sings with a lovely little chuckle in her voice."[17] Anders als der Wagner- und Strausssopran Cheryl Studer bei Gardiner präsentiert Mizzi Günther pointierten Text und kein anonymes Wunschkonzert-Duett, das nur aus Noten, nicht aber aus Worten besteht. Günther spielt zudem mit Treumann für die Platte innerhalb des Duetts einen kleinen Sketch, in dem Danilo Hanna mitnehmen will ins Cabaret Noir, wo man [SEITE: 34 | SEITE: 35] (wie er sagt) "wie die wilden Nigger" tanze und die Damen "noch viel mehr nicht anhaben". Günther/Glawari zeigt sich von der Idee entzückt (was sie mit einem erregten Quietschen in der Stimme ausdrückt) und möchte mitgehen. Ein für 1906 geradezu ungeheuerlicher Schritt für eine respektable Dame der Gesellschaft. Kein Wunder, dass der Autor des Reigens Mizzi Günther zu Füßen lag.

Klangbeispiel 7: 

Franz Lehár, "Lippen schweigen" aus Die Lustige Witwe,
mit Mizzi Günther, Louis Treumann und Orchester, Dir. Franz Hampe
(Aufnahme: 1906)

Wegen der karikierenden Vortragsweise von Treumann und Günther wird Lehárs Musik in der Einspielung von 1906 alles Sentimentale genommen. Der grandiose Kitsch der Nummer, die bewusste Süßlichkeit des Lehárschen Melos und die übertriebene Sentimentalität des Texts, wird gebrochen durch eine völlig unkitschige Präsentation. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld, das verständlich macht, warum früher so viele Intellektuelle Freude an der Doppelbödigkeit der Operette hatten. In seinem Buch Was ist Kitsch? schreibt Hans-Dieter Gelfert: "Kitsch wird allgemein als eine durch den Kommerz profanisierte und damit zur Hure gemachte Kunst gesehen, die schamlos den vulgären Geschmack der Masse bedient."[18] Damit das Vulgäre des Kitsches intellektuellen Reiz bekommen, damit der Operetten-Kitsch für den intellektuellen Betrachter spannend werden kann, ist es wichtig, die "Ironiesignale" zu finden, wie Gelfert sie nennt. Signale, die "die schillernde Seifenblase [des Kitsches] zum Platzen bringen".[19] Die karikierende Vortragsweise von Treumann und Günther ist eine Möglichkeit, wie man die schillernde Kitsch-Seifenblase zum Platzen bringen kann. Durch den karikierenden Vortragsstil machen die Uraufführungssänger deutlich, dass sie nicht nach 'Wahrhaftigkeit' streben, so wie man es in der Aufführungspraxis der Oper heute tut ("Wie kommen wir noch zu Wahrheitsmomenten?"[20]), vielmehr werden Gefühle und Stimmungen von den Operetten-Uraufführungssängern zitiert und mit ironischer Distanz vorgetragen. Gerade darum wirken Opernsänger oft so lächerlich, wenn sie die bewusst 'falschen' und übertriebenen Operettenemotionen als 'echt' verkaufen wollen. Gerade darum darf man auch [SEITE: 35 | SEITE: 36] Operettenbücher und Partituren nie 1:1 beim Wort nehmen, sondern muss sie fast durchweg als Gegenteil dessen lesen, was auf dem Papier steht. Zumindest wenn man sie im Sinn einer historisch informierten Aufführungspraxis spielen möchte.

 

 

Abbildung 6:

Louis Treumann und Mizzi Günther in den Uraufführungskostümen
der Lustigen Witwe 1905, wie sie auf dem Cover des Klavierauszugs abgebildet sind

Die distanzierte Vortragsweise von Treumann/Günther ist nach wie vor ungemein modern. Sie entspricht der Entwicklung, die die moderne Kunst und großteils auch die moderne Musik durchgemacht hat. Man könnte Operetten somit fast als Vorläufer von Schönberg und den anti-romantischen Serialisten der 1950er Jahre sehen. Nicht zufällig war Schönbergs Schwager der bekannte Lehár-Librettist Robert Bodanzky, und nicht zufällig schrieb Schönberg mit Von heute auf morgen eine Art Zwölfton-Operette, die Bausteine des Genres bewusst im atonalen Kontext verwendet. Eine Betrachtungsweise der Operette aus dem Blickwinkel der Moderne wäre sicher ein interessanter für eine Interpretationsansatz [SEITE: 36 | SEITE: 37] neuartige Bewertung und wissenschaftliche Wiederentdeckung der Gattung. "Man kann [Operetten] ungefähr so hören wie Neue Musik: mit angenehm kitzligem intellektuellen Vergnügen", schrieb die Frankfurter Rundschau 2002 und ergänzte: "Da sich die ältere 'leichte Muse' in der neuen Musikrealität auflöste wie ein Zuckerwürfel im Heißgetränk, hat die Spurensuche nach ihr, einer ausgestorbenen Art, etwas Exklusives und Nonkonformistisches wie die Beschäftigung mit avantgardistischen Klängen."[21] Bei der Tagung "Operette unterm Hakenkreuz" der Staatsoperette Dresden präsentierte 2005 Reiner Zimmermann unter der Überschrift "Von heute auf übermorgen: Operette und künstlerische Avantgarde in den 1920er Jahren" einen Vortrag, der diesen Aspekt weiter und umfangreicher untersuchte.

     Zusammengefasst kann man sagen: Danilo und Glawari wurden 1905 vollkommen anders besetzt und gesungen als beim angeblichen "Historische Aufführungspraxis"-Experten John Eliot Gardiner und beim angeblich letzten Repräsentanten der Modernen Ära, Robert Stolz. Während Eugen Semrau in seinem Buch Robert Stolz. Sein Leben. Seine Musik die Seriosität der Stolz-Tradition bereits kritisch hinterfragt hat,[22] mag man an dieser Stelle auch fragen, wie ernst zu nehmen Gardiners "Historische Aufführungspraxis" von Händel, Bach und Mozart ist, wenn sie im überprüfbaren Fall von Lehár so eklatante Mängel aufweist? Sicher wäre die Besetzung des Danilo mit einem Groteskkomiker wie Rowan Atkinson nicht nur bei Gardiner eine historisch korrektere und zudem innovativere Idee gewesen, als Boje Skovhus die Partie singen zu lassen. Es wäre von Gardiner auch ein wegweisender Besetzungsvorschlag für all die Stadttheater landauf, landab gewesen, die eine Lustige Witwe auf dem Spielplan haben. Als Alternative zu Abenden wie dem an der Deutschen Oper Berlin, wo René Kollo 1979 zusammen mit Gwyneth Jones auftrat und beide "Lippen schweigen" umwandelten in ein "O sink hernieder, Nacht der Liebe" im Walzerschritt. Damit taten die Bayreuth-erprobten Sänger weder Lehár- noch Wagner-Fans einen Gefallen. Diesbezüglich ebenso wenig überzeugend war die Premiere der Witwe am Gärtnerplatztheater im Jahr 2000, wo die hochdramatische Sopranistin Hildegard Behrens die Rolle der Glawari mit Brünnhilden-Helm und eingefügten Hojotoho-Rufen sang. Die Aufführung, inszeniert vom selbst erklärten Operettenfachmann und -bearbeiter Franz Winter, hatte im Programmheft eine CD mit den Aufnahmen von [SEITE: 37 | SEITE: 38] Treumann Interpretationsansatz und Günther. Man fragt sich, wieso sich der Regisseur und das Theater die Mühe machen, solche historischen Klangdokumente beizulegen, wenn sie keinerlei hörbaren (oder sichtbaren) Einfluss auf das Resultat haben?

 

IV. Die sublimierte Operette: Fritzi Massary als Hannah Glavarios

Deutlich dichter am Original im Sinne der verfremdend-grotesken "Historischen Aufführungspraxis" der Lustigen Witwe ist Elisabeth Schwarzkopf, die 1953 erstmals die Partie der Hanna Glawari aufnahm (EMI CDH 7 69520 0). Sie ist zwar – genau wie Cheryl Studer – eine ausgewiesene Strauss- und Mozart-Sängerin mit entsprechend durchgebildeter Opernstimme, aber sie benutzt diese Stimme, anders als Studer, um ähnlich wie Treumann/Günther mit amüsiert ironischer Distanz zu singen. Es ist eine Distanz, die entscheidend für die historisch korrekte Darbietung des Genres ist, weil erst durch sie die "schillernden Seifenblasen" des Lehárschen Operettenkitsches zum Platzen gebracht werden. Allerdings wählt Schwarzkopf dafür nicht den grotesk karikierenden Weg der Uraufführungssänger, sondern eine andere, in der Entwicklung der Modernen Operette später aufgekommene Variante, um Ironiesignale zu setzen: Sie singt 'camp'. Indem sie als Hanna Glawari ihren bekannten manieristischen Zauber entfaltet und damit aus der Rolle ein bewusst 'unwahrhaftiges' Kunstprodukt macht, versöhnt sie Kitsch und Gefühl zu raffiniertester Kunstfertigkeit; weswegen man ihren Vortragsstil in exemplarischer Weise als 'camp'-Singen bezeichnen kann. 'Camp' ist eine Form des Operettengesangs, die in den späten 1920er Jahren durch Künstler wie Richard Tauber und Gitta Alpár kreiert wurde und bis 1933 auf vielen Aufnahmen zu hören ist (dazu nachfolgend mehr).

     Susan Sontag schreibt in ihrem bekannten Essay: "Unter den großen schöpferischen Erlebnisweisen ist Camp […] die Erlebnisweise der gescheiterten Ernsthaftigkeit."[23] Laut Sontag lehnt Camp "die Risiken der rückhaltlosen Identifizierung mit extremen Gefühlslagen ab".[24] Camp ist ihrer Definition zufolge die "Liebe zum Übertriebenen, zum 'Übergeschnappten', zum 'alles-ist-was-es-nicht-ist'".[25] In diesem Sinn haben Treumann, Günther und Schwarzkopf gemein, [SEITE: 38 | SEITE: 39] dass alle drei in permanenten Anführungsstrichen singen, wobei Treumann und Günther frecher wirken als Schwarzkopf, die doch immer Dame bleibt. Vielleicht liegt das daran, dass sie erst während der Nazizeit zur Operette kam und dadurch bereits von der "Arisierung" der Gattung geschädigt war? Sie kannte zwar noch die alten Stars und Vortragsweisen, wusste aber, dass das übertrieben Frivole nicht mehr so ausgespielt werden durfte wie früher.

 

 

Abbildung 7:

Elisabeth Schwarzkopf als Hanna Glawari auf dem Cover der Aufnahme von 1953

Klangbeispiel 8: 

Franz Lehár, "Lippen schweigen" aus Die Lustige Witwe,
mit Elisabeth Schwarzkopf und dem Philharmonia Orchestra, Dir. Otto Ackermann
(Aufnahme: 1953)

[SEITE: 39 | SEITE: 40]

Als sich Schwarzkopf, die 1938 ihre Schallplattenkarriere als Operettensängerin begonnen hatte, nach dem Krieg neuerlich der Operette zuwandte, spielte sie, die erklärt "Unpolitische", übrigens weiterhin nur "arisch" reine Werke von Lehár und Johann Strauss ein. Ob aus unverwüstlicher tausendjähriger Überzeugung oder aus künstlerischer Überlegung, hat sie nicht zu Protokoll gegeben.[26]

     Dass Schwarzkopf die Aufnahmen von Treumann und Günther kannte, mag bezweifelt werden. Ganz sicher kannte sie aber die Platten von Fritzi Massary, der größten Operettendiva der 1920er Jahre und sozusagen das Bindeglied zwischen Treumann/Günther und Schwarzkopf. Denn vor ihrer Aufnahme der Lustigen Witwe wurde Schwarzkopf von ihrem Ehemann, dem Plattenproduzenten Walter Legge, gezwungen, sich die Aufnahmen der Massary anzuhören. "I would learn from these things but then sing in my own voice and my own way", berichtete Schwarzkopf später.[27]

 

 

Abbildung 8:

Fritzi Massary, die wohl bedeutendste Operettendiva der Zwischenkriegszeit

Die legendäre Fritzi Massary sang die Witwe auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes 1928 in Berlin, in einer eigens für sie neu arrangierten (Revue-)Fassung. Hört man ihre Aufnahme von "Lippen schweigen", fällt sofort auf, dass hier das Wort Erotik GANZ GROSS [SEITE: 40 | SEITE: 41] geschrieben wird. Was bei Treumann und Günther zu k.u.k. Zeiten nur angedeutet werden konnte und bei Schwarzkopf zu Wirtschaftswunderzeiten unterdrückt werden musste, wird bei der Massary im Berlin der 1920er Jahre zelebriert. Massary ergeht sich im Lasziven, Unanständigen. Der amüsierte Unterton der Günther bleibt, addiert wird die Genusssucht des Jahrzehnts nach dem Ersten Weltkrieg. Kein Geringerer als Alfred Polgar konstatierte: "Die Massary macht der dummen Operette den Sublimierungsprozeß",[28] und Otto Schneidereit fügte hinzu, Massarys Trumpf sei "ihre Gabe der raffinierten Andeutung", die "scharf pointiert[e] Treffsicherheit in Ton und Geste", sei ihr früh entwickeltes Vermögen, Zweideutiges durch "geschickt benutzte Vieldeutigkeit" eindeutig werden zu lassen.[29] All das erlebt man mustergültig in ihrer Lustige Witwe-Aufnahme, wobei Hanna Glawari bei Massary nicht mehr vom Balkan kommt, sondern Hannah Glavarios heißt und Witwe eines reichen Plantagenbesitzers aus Honduras ist, die mit eigener Mexican- und Tangoband auftritt. In seiner Lehár-Biografie schreibt Stefan Frey:

Sämtliche Musiknummern wurden für die Massary umgestellt. Ihre Hanna Glavarios tauschte mit Valencienne das Reiterduett gegen die 'anständige Frau', riß das Grisetten-Couplet, den Weibermarsch und Teile der 'Königskinder' an sich, hatte außerdem neben Danilos, wie der zum bloßen Partner degradierte Danilo Walter Jankuhns umgetauft wurde, mit Max Hansens Rossillon ausgiebig zu tun. Er war der zweite Star der Aufführung […]. Vor allem aber ließ sie sich sämtliche Gesangstexte umändern. Das Bemerkenswerte an diesen Texten ist, daß sie in ihrer pikanten Frivolität eine Gegenwelt zur edlen Operettenlyrik der Friederike entwerfen. Das beginnt schon beim von einem 'Negersänger' auf englisch gesungenen 'Vilja, o Vilja the witch of the wood' und endet bei 'Lippen schweigen,/'s flüstern Geigen:/I love you'. Im ursprünglichen Entrée der Hanna beschwor die Massary die alten Operettengeister: 'Sich einzuleben in Paris/scheint nicht so leicht zu sein./Bis jetzt erkannte ich nur dies:/Man lebt sich aus statt ein!/Beim Tanz und Sekt…' Von der anständigen Frau wüßte sie zu berichten: 'Sie stellt sich prüd/und tut solid,/je mehr das Gegenteil sie macht… Ich bin eine anständ'ge Frau,/Das heißt: [SEITE: 41 | SEITE: 42] Es weiß keiner genau…', wobei sie mokant lächelte, wie ihre Schallplattenaufnahmen unnachahmlich festhalten. Ihr neues Auftrittslied, zur Grisettenmusik inmitten von Cowboys gesungen, erzählt von ihrem 'Freund aus Singapur… Eine nur, die macht ihn scharf,/und wenn die mal was bedarf,/läßt sie sich's besorgen nur –/von dem Freund aus Singapur.'[30]

Die überpointierte, eindeutig doppeldeutige Vortragsweise der Massary wurde von der genau zuhörenden Schwarzkopf später exakt kopiert, nicht nur in ihren Operettenaufnahmen, sondern vor allem auch in den Interpretationen des deutschen Kunstlieds von Schubert bis Hugo Wolf sowie in den Richard Strauss-Rollen, in denen Schwarzkopf glänzte. Im Grunde ist ihre berühmte Marschallin eine in den Bereich der E-Musik übertragene Massary-Kopie, wenn man so will, was von Musikexperten nur nicht bemerkt wird, weil sie die Massary kaum kennen.

Klangbeispiel 9: 

Franz Lehár, "Lippen schweigen" aus Die Lustige Witwe,
mit Fritzi Massary, Walter Jankuhn und Orchester, Dir. Ernst Hauke
(Aufnahme: 1928)

 

V. Zwischen Berlin und Broadway: Die transatlantische Operette der 1920er Jahre

Adaptionen klassischer Operetten im Revue- und Jazzformat wie die Massary-Witwe entsprachen dem Zeitgeschmack. Kurz nach der Witwe kam auch Emmerich Kálmáns Csárdásfürstin aus dem Jahr 1915 im Admiralspalast verjazzt als Haller-Revue heraus, mit Rita Georg als Sylva und Hans Albers als Boni. Der Berliner Börsen-Courier beschreibt, wie die Verjazzung der Csárdásfürstin 1930 funktionierte:

Das Rezept ist jetzt allgemein eingeführt und auch Haller hofft die Heilung davon. Man nimmt eine alte Melodie, führt sie erst im Original auf, variiert sie dann mit Jazzinstrumenten und Jazzrhythmen, immer schneller und schneller, bis sie ertrunken ist. So geschieht es auch hier mit all den [SEITE: 42 | SEITE: 43] bekannten Liedern und Tänzen aus der 'Csárdásfürstin'.[31]

Moritz Loeb von der Berliner Allgemeinen Zeitung stellt zu dieser Verfahrensweise fest: "Die 'Csárdásfürstin' verträgt gewiß diese Konzession an den Amüsiergeist unserer Zeit."[32]

 

 

Abbildung 9:

Karikatur von Rita Georg und Hans Albers als Sylva und Boni
in der Revuefassung von Kálmáns Csárdásfürstin 1930 in Berlin

Kurz nach der verjazzten Csárdásfürstin wurde auch Millöckers Dubarry von Theo Mackeben (dem Uraufführungsdirigenten der Dreigroschenoper) bearbeitet und zum modern aufbereiteten Sensationserfolg gemacht. Aus der Perspektive der "Historischen Aufführungspraxis" sind diese Neufassungen der 1920er Jahre insofern interessanter als spätere der 1950er und 60er Jahre (z. B. Csárdásfürstin 1950 vom ehemaligen nationalsozialistischen Starregisseur Fritz Fischer), weil sie in einer Zeit entstanden, als die Operette noch eine lebendige und von nationalsozialistischer Ideologie unbeschädigte Kunstform war. Damit sind diese Versionen vollwertige Alternativen zu den Originalgestalten, zeigen sie doch, wie die frühe Silberne Operette sich selbst erneuerte und zur späten Silbernen Operette wurde [SEITE: 43 | SEITE: 44] oder – um das problematische Wort "Silberne Operette" zu vermeiden – wie die frühe Moderne Operette zur Zeitgenössischen Jazz-Operette der 1920er Jahre mutierte, also aus dem kakanischen Dunstkreis in die eklektischen Roaring Twenties hinüber glitt.

 

 

Abbildung 10:

Die Tillergirls in der Haller-Revue An und Aus (1926)
Ein perfektes Beispiel dafür, wie in den 1920er Jahren Operette dargeboten wurde.

Angesichts der Faszination, die die Weimarer Jahre, das Berlin des Interbellum und der Taumel der Gesellschaft am Vorabend des Nationalsozialismus gegenwärtig ausüben, aber auch angesichts des derzeitigen Interesses an der Schlagermusik dieser Zeit und dem Max Raabe-Phänomen, ist es verwunderlich, dass die Zweitfassungen von Modernen Operetten aus den 1920er Jahren heute von Theatern und Plattenproduzenten völlig ignoriert werden. Sie belegen mustergültig, dass es sehr wohl glücken kann, Operetten zu adaptieren, wenn man sie von stilsicheren Könnern bearbeiten lässt und nicht von Partykeller-Arrangeuren wie Bert Grund, der die "Fernseh-Operetten"-Serie der 1970er Jahre betreute (bei Philips auf Platte/CD erschienen), und wenn man für die Hauptrollen wirkliche Stars engagiert. Auf die Frage, was passieren müsse, damit es zu einem ernsthaften Operetten-Revival heute kommen könne, antwortete Max Raabe 2004 im Gespräch mit dem Autor: "Verpflichten Sie Anke Engelke und Robbie Williams, und die Operette ist aus dem Schneider." [SEITE: 44 | SEITE: 45]

 

 

Abbildung 11:

Die Lustige Witwe in der Verfilmung von 1925 (Regie: Erich von Stroheim)
Hollywoodstar John Gilbert als Danilo und Mae Murray als zur Jazz-Tänzerin umfunktionierte Hanna Glawari zeigen, wie man "Lippen schweigen" zu einem Erlebnis von geradezu knisternder Sinnlichkeit macht.

Im Bereich des Broadwaymusicals geschieht dies ganz selbstverständlich seit Jahrzehnten, in den 1920er Jahren geschah es auch in der Operette, wo die Äquivalente von Engelke und Williams auftraten und die Kunstform als moderne Großstadtunterhaltung spielten. Man traf damals auf den Wiener und Berliner Operettenbühnen teuer eingekaufte Filmstars [SEITE: 45 | SEITE: 46] wie Lil Dagover (in Kálmáns Teufelsreiter 1932), die Comedian Harmonists und laszive Tänzerinnen wie La Jana (beide in Erik Charells Casanova 1928), um nur einige wenige zu nennen.

 

 

Abbildung 12:

Die Startänzerin La Jana zeigt, wie schwungvoll Operette dargeboten werden kann.

Vergleichbar mit einer solchen Besetzungspolitik ist der Auftritt der Hollywood-Diva Glenn Close in Andrew Lloyd Webbers Musical Sunset Boulevard 1994 am Broadway oder der Auftritt des Popidols und Soap-Stars Jason Donovan in Webbers Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat 1991 im Londoner West End. Dass solch ein Casting auch im Bereich der Operette noch immer zu verblüffenden und überzeugenden Resultaten führen kann, bewies 1981 die New Yorker Produktion von Gilbert & Sullivans Pirates of Penzance im Central Park. Hollywood-Star Kevin Kline spielte dort den Piratenkönig und Pop-Diva Linda Rondstadt war die verzückte Heroine Mabel. Diese Produktion, die das Libretto unverändert ließ, aber die gesamte Musik neu instrumentiert präsentierte, brachte es auf bemerkenswerte 772 Aufführungen.[33] [SEITE: 46 | SEITE: 47]

 

 

Abbildung 13:

Szenenfoto der New Yorker Pirates of Penzance-Produktion von 1981,
mit Kevin Kline (rechts) und Linda Ronstadt (Mitte)

Der Kritiker Clive Barnes von der New York Post notierte:

In a way [the production] is obviously true to the original operetta, but its approach is so radical that it might offend hard-core Savoyard devotees. Without any doubt whatsoever this is Gilbert and Sullivan in a new pop and Broadway guise, and however faithful it may appear it is defiantly different. For me it offered a new awareness for a certain style of operetta that through almost a century of decayed decades I had come to despise. The sheer heady, giddy excitement is perfectly remote from any quasi-operatic version I have seen. And it established the validity of an original, now commonly obscured by the scar tissue of antiquity. There is magic here that bubbles like a witch's cauldron. Gilbert's tongue twisting lyrics, underpinned by Sullivan's loyal obbligato [sic], retain an almost unexpected freshness. It is simply this special air of freshness that informs the entire production.[34]

Das Verwunderliche ist, dass in den klassischen Operettenländern Deutschland und Österreich seit 1945 niemand versucht, Kontakt mit den Größen des internationalen Showbusiness aufzunehmen und sie für die Operette zu gewinnen, immer mit der Begründung, dass [SEITE: 47 | SEITE: 48] man für die Operette angeblich opernhaft ausgebildete Stimmen brauche. "Die einzige Möglichkeit, die Operette zu retten, sehe ich darin, große Opernsänger zu animieren, nebenberuflich auch Operette zu singen", meinte Marcel Prawy, Galionsfigur österreichischer Nachkriegsoperettenpflege: "[Es] wäre vergeblich, neue 'Operettenstars' schaffen zu wollen."[35] Zu dieser folgenschweren Prawy-Idee bemerkte Max Raabe: "Vielen Opernsängern ist es peinlich, in einer Operette zu singen; sie nehmen das Werk nicht ernst und neigen bestenfalls dazu, ein bisschen herumzualbern. Das Gegenteil jedoch ist notwendig."[36]

     Wie ein solches Gegenteil aussehen kann, bewies Max Raabe höchstselbst in der Produktion von Ralph Benatzkys Im weißen Rössl 1994 in der Bar jeder Vernunft in Berlin.[37] Die legendäre Inszenierung – ein kleiner dimensioniertes europäisches Pendant zu den New Yorker Pirates – von und mit den Geschwistern Pfister, Otto Sander, Gerd Wameling, Walter Schmidinger und Meret Becker zeigte, wie die alte, viel geschmähte Operette wieder witzig, kitschig, zeitgemäß und ungeheuer schrill sein kann, so wie sie es auch im Jahr der Uraufführung 1930 war.

 

 

Abbildung 14:

Frl. Schneider als Rössl-Wirtin und Max Raabe als Dr. Siedler
in der Berliner Rössl-Inszenierung 1994 [SEITE: 48 | SEITE: 49]

Der Spiegel meinte zur Berliner Fassung von 1994:

Wagemutig und, wie sie selber meinen, mit einer großen Portion 'Wahnsinn', haben sich ein paar Staatsschauspieler mit führenden Kräften der Berliner Kleinkunst-Szene zusammengetan, um […] das totgesagte Phantom der Operette wiederzubeleben. […] Von der verlogenen Operetten-Seligkeit des deutschen Nachkriegsfilms […] ist das alles weit entfernt. In diesem Berliner Salzkammergut, da kann man gut lustig sein, weil aber auch niemand versucht, die 'Rößl'-Welt für wahr zu verkaufen. Deshalb wirkt die Lüge so erfrischend überzeugend.[38]

Einige Kritiker sprachen damals von "Auferstehungsfeierlichkeiten der Operette",[39] andere sahen die Produktion gar als "Trojanisches Pferd"[40], das zu einer Renaissance der Gattung im Allgemeinen führen würde, im und aus dem Geist der Bar jeder Vernunft. Leider hat diese weiterführende Renaissance bis heute nicht stattgefunden, jedenfalls nicht in größerem Rahmen, obwohl gerade das Ausspielen des Unwahren und Verlogenen mit übertrieben künstlichen Mitteln – wie im Berliner Rössl geschehen – der im Sinne einer "Historischen Aufführungspraxis" korrekte Schlüssel zur Wiederbelebung der Gattung insgesamt wäre.

 

VI. Gesänge des Lasters und der Ekstase: Elsie Altmann und Charlotte Ander

Nicht nur Fritzi Massary zelebrierte in den 1920er Jahren als Leading Lady der Operette Erotik auf der Bühne. Auch für Soubretten der Zeit galt: Sex comes first! Über Elsie Altmann beispielsweise findet sich 1924 in einer Wiener Zeitung folgender Text:

Elsie Altmann […] erscheint in der neuen Kálmán-Operette 'Gräfin Mariza' als entzückend-kleine, graziös-bewegte Soubrette, deren größter Vorzug ist, daß sie um zwanzig Jahre jünger ist, als es die Schablone in Wien verlangt. Ihr Debüt war allen, die noch ein Herz für die Wiener Operette haben, eine sympathische Überraschung. […] Sie wird [SEITE: 49 | SEITE: 50] auch den Ruf der Wiener Soubrette wieder verbessern, zumindest verjüngen.[41]

 

Abbildung 15:

Elsie Altmann als "Tänzerin", fotografiert 1923
im Studio der Wiener Fotografin d'Ora

Betrachtet man das Foto, mit dem dieser Artikel in der Stunde 1924 begleitet ist, begreift man die Wirkung Elsie Altmanns sofort. In der Fachliteratur wird gemeinhin vermutet, auf dem als Tänzerin titulierten Bild sei Anita Berber, die "Tänzerin des Lasters, des Grauens und der Ekstase" zu sehen. Über das Foto schreibt Elisabeth Moorgat in Portrait im Aufbruch. Photographie in Deutschland und Österreich 1900-1938:

In ihrer Aufnahme einer Tänzerin […] aus dem Jahr 1923 hat [die Fotografin] d'Ora die Femme fatale des erotischen Ausdruckstanzes schlechthin erfasst und das Rauschhafte dieser ekstatischen Tanzform mit den Mitteln bildnerischer Gestaltung gebändigt. […] Die Tanzaufnahme wahrt […] für immer die Erinnerung an eine ebenso typische wie extraordinäre Tanzgattung der 1920er Jahre.[42] [SEITE: 50 | SEITE: 51]

 

Abbildung 16:

Anita Berber, die "Tänzerin des Lasters, des Grauens und der Ekstase",
in dem berühmten Porträt von Otto Dix

Unbeabsichtigt und in der Interpretation nicht durch spätere, biedere Operettenklischees im Blick eingeschränkt, beschreibt Moorgat präzise, was man sieht und was die Operette und eine ihrer berühmtesten Darstellerinnen in den 1920er Jahren charakterisiert. Elsie Altmann und die ganz und gar nicht braven Soubretten der Modernen Operette sind die Britney Spears' oder Christina Aguileras von damals. Es wäre durchaus nicht unpassend, wenn Comtesse Lisa am Ende des Duetts "Komm mit nach Varasdin" ein "Oops!... I Did It Again" einfügen würde. In der Filmversion der Gräfin Mariza von 1932 tut Charlotte Ander das beinahe.

Klangbeispiel 10: 

Emmerich Kálmán, "Komm mit nach Varasdin" aus Die Gräfin Mariza (Filmfassung),
mit Charlotte Ander, Ernst Verebes und Orchester, Dir. Artur Guttmann
(Aufnahme: 1932)

Mehr im Rampenlicht als Altmann und Ander, aber im Schatten der Massary standen Diven wie Anny Ahlers und Rita Georg. Die erste war dem Alkohol und Drogen verfallen, hatte TBC und beging 1934 in London Selbstmord, indem sie aus einem Hotelfenster sprang. Man kann sie eine Art "Sally Bowles der Operette" nennen, denn sie scheint einem [SEITE: 51 | SEITE: 52] der Berlin-Romane Christopher Isherwoods entsprungen. In ihrer Stimme und in ihrem Leben ist jener existenzialistische Funken spürbar, der die 1920er Jahre und die Operette dieser Dekade auszeichnet. Ahlers brillierte 1928 mit dem Chanson "Ich spreche mit den Beinen nur" in der Charell/Benatzky-Operette Casanova, zur Melodie von Johann Strauss' Pizzicato Polka. Der Titel ist Motto, und das Motto trifft die Moderne Operette auf den Punkt.

Klangbeispiel 11: 

Ralph Benatzky/Johann Strauss, "Ich spreche mit den Beinen nur" aus Casanova,
mit Annie Ahlers und Orchester, Dir. [o. A.]
(Aufnahme: 1928)

Die späte Moderne Operette als "Gesang des Lasters und der Ekstase" – um den Titel der Show von Anita Berber zu variieren – hat zwar wenig mit der von Volker Klotz heilig gesprochenen und als allein gültig deklarierten Form der Operette als Offenbachiade zu tun.[43] Sie ist aber eine interessante Alternative. Offenbachs Star Hortense Schneider sprach im übertragenen Sinne ebenfalls "mit den Beinen" und hatte Affären mit beinahe jedem Prinzen Europas, der im Publikum der Bouffes Parisiennes saß. Diese erotische Seite der Operette, auch der Operette Offenbachs, wird von Klotz in seiner 'sozialdemokratischen' Sichtweise der Gattung ("ein fernes Ziel bleibt immer noch der muntere Gleichklang von Liberté und Fraternité, den die Operette heraufbeschwört"[44]) weitgehend ignoriert, was vielleicht mehr über den Exegeten sagt, als über die Kunstform.

VII. Allround-Talent: Hubert Marischka

Neben berühmten Sängerinnen gab es in den 1920er Jahren natürlich auch berühmte Operettensänger. Einer der wichtigsten war zweifellos Hubert Marischka. Er war der erste Tassilo in der Gräfin Mariza und sang bis 1932 fast alle großen Kálmán-Premieren, daneben auch andere Uraufführungen, u. a. von Granichstaedtens Orlow, wo er das bekannte "Zigarettenlied" erstmals präsentierte.[45]

     Als Sänger kreierte und kultivierte Marischka einen sehr persönlichen, neuen Vortragsstil. Von ihm sagte der damalige Dirigent [SEITE: 52 | SEITE: 53] des Theaters an der Wien, Anton Paulik: "Beim Marischka mußte man schon höllisch aufpassen; man hat nie gewußt, red't er noch oder singt er schon."[46] Solch ein 'sprechendes Singen' oder 'singendes Sprechen' ist eng mit dem Musical verwandt. Die Erfindung dieses Rezitier-Stils wird in der Fachliteratur beinahe übereinstimmend Rex Harrison zugeschrieben, der aber erst 30 Jahre nach Marischka damit Erfolg hatte: 1956 in My Fair Lady.[47]

     Erwähnenswert sind auch Marischkas akrobatischen Fähigkeiten, die Kálmán besonders in der Zirkusprinzessin 1926 in den Vordergrund stellte. Dort trat Marischka als mysteriöser Mister X. "in einem Petersburger Zirkus auf, wo er, geigenspielend [sic] einen Looping-the-Loop-Akt ausführt[e]".[48] Außerdem war Marischka ein begnadeter Tänzer. Zu Beginn seiner Karriere lernte er in London Fred Astaire kennen und nahm bei ihm Unterricht. Seine Spezialität waren fortan die "in London erlernten Luftpirouetten", die er effektvoll in Lehárs Blauem Mazur einbaute.[49] Ferner war er als Walzer-, Tango- und Csárdástänzer in Wien und anderswo Legende. Speziell für ihn komponierte Kálmán die Csárdás-Bravourszene am Ende des ersten Akts der Gräfin Mariza, mit der Marischka Abend für Abend das Publikum elektrisierte. Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass Marischka ein echter Allround-Künstler war, der das Geschäft des Operettentenors zu virtuosen Höhen führte, wie man sie heute nur noch mit wenigen herausragenden Broadway-Entertainern assoziiert.

Abbildung 17:

Hubert Marischka als Tassilo in der Gräfin Mariza (1924) [SEITE: 53 | SEITE: 54]

Hört man sein "Komm Zigány" aus der Mariza, überliefert dank der Filmfassung von 1932, erlebt man, welche Ausdrucksebenen, welche Verzweiflung, aber auch welche Ekstasen in dieser Musik stecken, wenn man sie beim Wort nimmt und nicht nur Noten singt. Marischka deklamiert den Text geradezu auf Burgtheater-Niveau, mit allen rhetorischen Schattierungen und plötzlichen Stimmungswechseln, völlig losgelöst vom Notentext. Dadurch wird aus der Nummer eine aggressive Anklage gegen die kapitalistischen Verhältnisse, eine Art Barrikadenlied im Stil von Eisler und Brecht, vollkommen passend zum Elend jener Krisenjahre. Dieses Elend wird am Ende jedoch in bester Operettenmanier mit einem Csárdáswirbel weggefegt, der wirklich die Bezeichnung "Tanz auf dem Vulkan" verdient.

Klangbeispiel 12: 

Emmerich Kálmán, "Komm Zigány" aus Die Gräfin Mariza (Filmfassung),
mit Hubert Marischka und Orchester, Dir. Artur Guttmann
(Aufnahme: 1932)

 

VIII. "Triefende jüdische Sentimentalitäten": Richard Tauber im Land der Operette

Wenn es stimmt, dass ein Operettentenor "das Traumrendezvous jeder Dame, eine Operettendiva das jedes Herren" sein muss[50], dann war Marischka das Traumrendezvous aller Damen vor der Ära Richard Taubers. Als dieser jedoch von der Oper zur Operette wechselte, änderte sich das zunehmend. Damit änderte sich auch das Ideal des Operettenhelden und in der Folge der Stil der für diesen neuen Tenor-Typ geschaffenen Operetten. Nach der Berliner Premiere von Lehárs Paganini wurde Tauber 1926 zum "gesellschaftlichen, kulturgeschichtlichen [und] zeitgeschichtlichen Phänomen".[51] Er garantierte fortan "mit dem Hundertausend-Dollar-Glanz seiner Stimme die Sensation, der Erfolg stand von Anfang an fest".[52] Die Welt verfiel in ein 'Tauberfieberdelirium', gegen das Marischka mit seinem inzwischen in die Jahre gekommenen Tenor keine Chance hatte. [SEITE: 54 | SEITE: 55]

 

 

Abbildung 18:

Richard Tauber als Paganini in Lehárs gleichnamiger Operette

Jürgen Kesting schreibt über Taubers Operettenaufnahmen:

Die Stimme tanzt durch die Musik, schillert in vielen Farben und koloriert die sprachlichen Nuancierungen. Unnachahmlich das Bewegungs-Timing, die Rubato-Effekte.[53]

Tauber singt, ganz der von Susan Sontag aufgestellten Definition entsprechend (und weit extremer als Elisabeth Schwarzkopf es je wagen würde), mustergültig auf eine 'camp'-Weise. Er kostet die schwüle Erotik der Operettentexte aus und bricht sie damit ironisch (gemäß der Beobachtung von Gelfert über platzende Kitsch-Seifenblasen). Tauber ist dabei weniger kokett als Massary, vielmehr betörend sinnlich und somit wiederum ganz dem Zeitgeschmack des verführerischen Über-Helden entsprechend: Tauber ist quasi ein singender Rudolph Valentino (1895-1926), der in dem Jahr starb, in dem Tauber als Paganini den Durchbruch erlebte. [SEITE: 55 | SEITE: 56]

 

 

Abbildung 19:

Stummfilmstar Rudolph Valentino in der typischen
verführerischen Pose des Latin Lover

Der Erfolg Taubers in der Operette hatte weniger damit zu tun, dass er vorher Opernsänger war, sondern damit, dass er das Geheimnis des Genres begriff: Er sang mit dem "rattenfängerischen Charme eines großen Schauspielers"[54], was man wohl von keinem seiner vielen Nachahmer behaupten könnte. Operntenöre der Jetztzeit im Operettenfach scheuen sich vor Taubers Schmacht- und Schmeicheleffekten, seinem verführerischen, grenzenlos übertriebenen Stil. Hört man Tauber mit "Dein ist mein ganzes Herz" aus dem Land des Lächelns, spürt man fast bei jedem Wort die suggestive Erregung seines Singens. Das hohe As in "Dein ist mein schönstes Lied" schleudert er mit einer Ekstase heraus, die überrumpelt, "Sag mir noch einmal, mein einzig Lieb" wird kosend, gurrend fast geflüstert, bei "Ich möchte deinen Atem trin-ken und betend dir zu Füßen sin-ken" gleitet er mit verführerischem Portamento von Silbe zu Silbe, das "n" von "trinken" und "sinken" maximal auskostend. Und bei "küsst" und "erblüht" gibt er dem "ü"-Laut jene Unanständigkeit, die später Ljuba Welitsch ihrer Salome beimischte, als sie sang: "Ich habe deinen Mund geküüüüsst, Jochanaan". [SEITE: 56 | SEITE: 57]



Klangbeispiel 13: 

Franz Lehár, "Dein ist mein ganzes Herz" aus Das Land des Lächelns,
mit Richard Tauber und Mitgliedern der Staatskapelle Berlin, Dir. Franz Lehár


(Aufnahme: 1929)

Auch Tauber singt die Noten nicht 1:1, er ist auch nicht um emotionale Glaubwürdigkeit bemüht, die nirgends peinlicher wirkt als bei Lehárs späten Opern-Operetten. Vielmehr benutzt er die Musik zu einer erotischen Aussage, die fast wie ein Jugendstil-Kunstwerk überquillt vor Details – und eben darum 'camp' im klassischsten Sinn des Wortes ist.[55] Nimmt man den Tauber-Liedern diesen Camp-Effekt, schrumpfen sie zu banalen Blockbustern. Die Nationalsozialisten nannten solche Effekte "triefende jüdische Sentimentalitäten", die sie auszumerzen sich anschickten.[56] Mit Erfolg. Einen kaum zu überbietenden Tiefpunkt erreicht die von "jüdischer Sentimentalität" befreite Entwicklung der Operette in der Aufnahme des Liedes durch Thomas Dewald. Auf der Lehár-CD Liebessehnsucht (Capriccio 10867) singt er mit dem WDR Rundfunkorchester Köln unter Helmuth Froschauer 1998 eine weitest möglich von der Urgestalt entfernte Version von "Dein ist mein ganzes Herz". Es ist fast eine Karikatur des Originals, die heute jedoch widerspruchslos als seriöse Interpretation verkauft wird.

Klangbeispiel 14: 

Franz Lehár, "Dein ist mein ganzes Herz" aus Das Land des Lächelns,
mit Thomas Dewald und dem WDR Rundfunkorchester Köln, Dir. Helmuth Froschauer
(Aufnahme: 1998)

 

IX. "Was fängt man in der Operette mit einer Stimme an?": Gitta Alpár vs. Rosy Barsony

Die von den Nazis verabscheuten und ausgemerzten "triefenden jüdischen Sentimentalitäten", wie man sie exemplarisch bei Tauber hört, weisen im Grunde weit voraus zur Pop Art und Kitschkunst der [SEITE: 57 | SEITE: 58] 1970er Jahre, wie man sie in Bildern von Andy Warhol, Pierre et Gilles, Jeff Koons oder John Currin sieht, schätzt und teuer bezahlt.

 

 

Abbildung 20:

Rita Georg und Hans Albers in Kálmáns Die Csárdásfürstin, Berlin 1930;
Pierre et Gilles, La Tentation d'Adam – Johan, 1996;
Richard Tauber und Käthe Dorsch in Lehárs Goethe-Operette Friederike, Berlin 1928

Man findet sie auch bei einer anderen großen Operndiva im Operettenland: Gitta Alpár.

Otto Schneidereit schreibt über die Sängerin:

Sie hatte an der Budapester Musikhochschule bei Laura Hilgermann studiert und erregte bereits bei einigen Schülerkonzerten mit ihrem silbern klingenden Koloratursopran Aufsehen. Nach Abschluß ihres Studiums sang sie nur ein Jahr an der Budapester Oper, dann kam sie nach Deutschland, gastierte 1925 an der Berliner Staatsoper und wurde sofort engagiert. Hier blieb sie bis 1930. Ihr Manager, Graf Coloredo-Westfried, brachte sie mit den Rotters in Verbindung, und nun sang sie am Metropoltheater im 'Bettelstudenten' die Laura und die Titelpartie in der deutschen Erstaufführung der Kálmán-Operette 'Das Veilchen von Montmartre'.[57]

[SEITE: 58 | SEITE: 59]

Karl Westermeyer vom Berliner Tageblatt berichtet über diese Veilchen-Interpretin: "Gitta Alpár erringt mit dieser Koloraturpartie einen ihrer größten Triumphe als Sängerin: Sie muss heute mit der Ivogün und der Adele Kern in einem Atem genannt werden."[58] Anders als Kern blieb die Opernsängerin Alpár in den Folgejahren ausschließlich bei der Operette und feierte dort Riesenerfolge als Dubarry in der bereits erwähnten Neufassung der Millöcker-Operette durch Theo Mackeben.

 

 

Abbildung 21:

Karikatur von Gitta Alpár in einer Berliner Zeitung 1931

Puristen mögen an Alpárs Gesang die rhythmische Freizügigkeit bemängeln, ihre (aus heutiger Sicht scheinbar) geschmacklosen Übertreibungen, ihre exzessiven Schluchzer, die in Schreien mündenden Spitzentöne, aber sie trifft damit – genau wie Tauber – exakt den Ton der späten Modernen Operette. Diese entfaltet überhaupt erst ihre Wirkung, wenn sie so übertrieben dargeboten wird, zumindest was die ausladenden, übersentimentalen Schmacht-Nummern angeht (zu hören u. a. auf der CD Was hat eine Frau von der Treue? Gitta Alpár singt Ábrahám, Brodszky & Kálmán, Edition Berliner Musenkinder/Duo-Phon-Records 05 23 3).


[SEITE: 59 | SEITE: 60]

Klangbeispiel 15: 

Emmerich Kálmán, "Rosen aus Dschajpur" aus Die Bajadere,
mit Gitta Alpár, Herbert Ernst Groh und Orchester, Dir. Otto Dobrindt
(Aufnahme: 1932)

Dass ein Singen à la Tauber und Alpár im Bereich der Operette die Ausnahme und damit Starattraktion war, erkennt man aus einer Kritik aus dem Jahr 1932, wo Alpárs letzte große Operettenrolle in Deutschland kommentiert wird. Im Berliner 12-Uhr-Blatt heißt es am 24. Dezember 1932 zu Ábraháms Ball in Savoy:

Gitta Alpár singt triumphaler denn je. […] Es ist schwer, für [sie] immer neue Rollen zu finden. Ihre Größe ist, bei aller schauspielerischen Begabung, ihre Stimme, und was fängt man heutzutage in einer Operette mit einer Stimme an? […] Es ist fast tragisch, daß diese Rolle, […] keineswegs ihre großartigste ist. Es liegt nicht an ihr. […] Es liegt am Genre, das nun einmal Beweglichkeit, Tempo, Tanz braucht. Die Alpár aber braucht lyrische Momente, dramatische Explosionen, […] ihr trauriges Finale. Sie singt es in dem großen und zugleich sinnlich betörenden Stil, der ihre Note ausmacht. Die Leute sind begeistert, aber im Grunde wollen sie doch in der Operette: das Tanzbein geschwungen sehen.[59]

Wie eine Tanzbein schwingende Operettendiva aussieht, verdeutlichte neben Elsie Altmann niemand besser als Rosy Barsony. Sie trat ebenfalls im Ball im Savoy auf und war dort wie anderswo Star vieler später Ábrahám Operetten. Über sie schreibt das 12-Uhr-Blatt:

Rosy Barsony ist die Kusine der Alpár – im Stück und auch im Typus. Den sex appeal, den die Alpár in der Kehle hat, hat die Barsony in der Kniekehle. Sie ist einfach hinreißend in ihrer grotesken Gliederpuppigkeit, sie schöpft aus einem schier unerschöpflichen Reservoir von komischen Gesten und Schritten. […] Ihr Partner ist der embonpointierte Oscar Dénes […]. Seine Mittel sind nicht gerade fein, aber wirksam.[60] [SEITE: 60 | SEITE: 61]

Abbildung 22:

Rosy Barsony und Oscar Denés als Berliner Pendant
zu Fred Astaire und Ginger Rodgers

Da sind sie wieder, die Schlagworte "Sex Appeal", "Groteske", "Komik", "Witz", "unfeine, aber wirksame Mittel". Gerade weil viele Operettendarsteller heute auf unfeine, aber wirksame Mittel verzichten, in Folge eines falsch verstanden Respekts gegenüber der Musik, zerstören sie diese Musik; speziell wenn sie mit den dadaistischen Quatschliedern der Epoche konfrontiert werden. Man kann einen Song wie "Do-do-do" aus Viktoria und ihr Husar (1930) nicht wie ein Schubert-Lied à la Fischer-Dieskau singen, gleichwohl man ein Schubert-Lied sehr wohl à la Massary singen kann, wenn man es wie die Schwarzkopf tut.

     Hört man Rosy Barsony und Oscar Dénes mit der Nummer "Warum bin ich verliebt in dich?" aus dem Ball im Savoy, erlebt man, wie sie aus der simplen Melodie und dem nur scheinbar harmlosen Inhalt einen nachgerade 'glucksenden' Sexakt machen, in Fortführung der Treumann/Günther-Tradition (u. a. auf der CD Paul Ábrahám: Meine Mama war aus Yokohama, Originalaufnahmen von 1929-1933, Edition Berliner Musenkinder/Duo-Phon-Records 05 02 3). [SEITE: 61 | SEITE: 62]

Klangbeispiel 16: 

Paul Ábrahám, "Warum bin ich verliebt in dich?" aus Ball im Savoy,
mit Rosy Barsony, Oscar Dénes und dem Odeon-Künstler-Orchester, Dir. Paul Ábrahám
(Aufnahme: 1932)

X. Schlussfolgerungen

Aufnahmen wie die von Barsony und Dénes, Tauber, Alpár, Massary, Treumann und Günther erheben sich turmhoch über die biedere Nettigkeit, mit der die Operette nach 1933 gespielt wurde und wie sie sich nach 1945 bruchlos fortsetzte. Mit den alten Aufnahmen im Ohr begreift man, dass all die Operetteneinspielungen der 1950er Jahre bis in die Gegenwart im Grunde Parodien der Kunstform sind. Nur sind es leider keine komischen Parodien, sondern fratzenhaft entstellende. Nirgends wird diese fratzenhafte Form der Operette heute erfolgreicher verkauft als in Mörbisch, dem "Operettenmekka" Österreichs. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb Gerhard Rohde 2004 über das Festival: "220 000 Besucher [kommen] pro Saison […] von weit her, weil sie die klassische Operette schätzen, die in Mörbisch noch in weitgehend unverfälschter Gestalt auf die Bühne gelangt."[61] Rohde, der auch für die Opernwelt als Operettenexperte tätig und zudem Chefredakteur der Neuen Musikzeitschrift ist, bescheinigt den Aufführungen in Mörbisch "die Aura des Authentischen" und den Sängern der Gräfin Mariza 2004 einen "stilsicheren Vortrag".[62] Hört man die "Komm Zigany"-Szene aus Mörbisch (Oehms Classics OC 337) und vergleicht sie mit der "ursprünglichen" Hubert Marischka-Fassung, stellt man fest, dass aus Marischkas erschütternder Sozialanklage (abermals) eine nette Wunschkonzertnummer geworden ist, in der Tenor Nikolai Schukoff brav Note für Note singt. So mutiert das Lamento eines Mannes, der alles verloren hat, zum Lamento eines Mannes, der mal wieder nicht im Lotto gewonnen hat. Auch das abschließende, rauschhafte Csárdás-Presto wird in Mörbisch vom Dirigenten Rudolf Bibl, lange an der Wiener Volksoper tätig, so umgestellt und so zahm dirigiert, dass es nicht mehr zündet. Es fehlt der existenzialistische Funken. Damit bricht nicht nur der Aufbau der Nummer zusammen, sondern auch der Sinn und Zweck des Liedes, von seinem eigentlichen Reiz ganz zu schweigen. [SEITE: 62 | SEITE: 63]

Klangbeispiel 17: 

Emmerich Kálmán, "Komm Zigány" aus Die Gräfin Mariza,
mit Nikolai Schukoff und dem Festival Orchester Mörbisch, Dir. Rudolf Bibl
(Aufnahme: 2004)

Vom glamourösen 1920er Jahre-Flair der Ur-Mariza merkt man in Mörbisch ohnehin wenig, da Kálmán und Operette überhaupt bei diesen Festspielen im Burgenland äußerst altbacken, folkloristisch und gestrig präsentiert wird – für ein älteres Publikum, das einen "Live-Heimatfilm" sehen will. In der österreichischen Zeitschrift Die Bühne war über die Mariza zu lesen, dass der Regisseur Winfried Bauernfeind für die beiden Alten der Handlung, Fürst Populescu und Fürstin Božena, ein neues Happy-End erfunden habe, "das einer Operette würdig" sei. Intendant Harald Serafin, Jahrgang 1931, fügte hinzu: "Bei uns gibt es […] ein Finale für alle über 50. Das ist wie ein Signal an das Publikum: Gebt nicht auf!"[63] Das 50+ Publikum kann dank solcher Adaptionen in Mörbisch einen "der Seele schmeichelnden Abend" erleben und dem "uncharmanten Alltag" vorübergehend entrinnen, wie die Zeitschrift Applaus meint:

Hier weiß man, was man hat: Unterhaltung auf hohem Niveau, das Verspüren eines nostalgischen Anhauches (aber in alter Frische) zwischen feurigen Zigeunerklängen und zärtlichem Schweben in vertraut-verträumter Musik, die sehnsuchtsvolle Erinnerungsbilder heraufbeschwört – und Begriffe, die heute kaum mehr allgemein geläufig sind: Lebensart und Eleganz.[64]

Entsprechend sind die von jeder Modernität freien Inszenierungen in Mörbisch, entsprechend sind auch die Bühnenbilder, wo keine sexy Girlreihen in weißen Federkostümen mehr zu sehen sind wie 1924 bei der Wiener Ur- und Berliner Erstaufführung, sondern ein Ballett von Federtieren während der Ouvertüre über die zum Hühnerhof umfunktionierte Bühne rennt. Entsprechend altbacken sieht auch die Festspielwerbung mit dem pseudojugendlichen Slogan "Let's Mörbisch" aus. Neben einem Poster der Popindustrie oder Hollywoods könnte ein Mörbisch-Poster niemals bestehen. Und das ist der große Unterschied zu Aufführungen und Operetteninszenierungen vor 1933, denn deren großstädtischer Reiz und moderne Vermarktung konnten sehr wohl neben der Konkurrenz [SEITE: 63 | SEITE: 64] des Films bestehen.

 

Abbildung 23:

Die Metropol-Girls der Berliner Gräfin Mariza-Inszenierung 1924

 

 

Abbildung 24:

Hühner-Ballett in der Mörbischer Gräfin Mariza-Inszenierung 2004

[SEITE: 64 | SEITE: 65]

Die positiven Reaktionen auf Aufführungen und Aufnahmen wie denjenigen aus Mörbisch belegen, dass die Neudefinition der Operette nach 1933 – als von Opernsängern dargebotene nostalgische Unterhaltung für Menschen über 50 – bis heute weiterlebt und nicht hinterfragt wird, auch nicht von Fachleuten. Es ist ein betrüblicher Zustand, denn die Moderne Operette der 1920er Jahre ist, entgegen allen gegenteiligen Behauptungen, unglaublich modern. "Sex, Drugs and Rock'n'Roll" könnte man sagen, oder besser "Sex, Drogen und Foxtrotts". Das alles ist zu hören auf den alten Platten. Man muss die Sänger von damals nicht imitieren, sollte sie aber als Modelle studieren, um Klangvorstellungen zu entwickeln und Problemlösungen zu erleben für eine moderne "historisch informierte Aufführungspraxis".[65] Jürgen Kesting sagte einmal: "[N]ur als kaum einer mehr wußte, wie Caruso sang, konnte man Mario Lanza als Caruso singen lassen."[66] Man könnte auch behaupten: Nur als niemand mehr wusste, wie Fritzi Massary und Gitta Alpár sangen, konnte Anneliese Rothenberger zur Operettenqueen gekürt werden.

     Will man diesen Streifzug durch die "Operettengeschichte auf Schallplatte" reduzieren auf schlagwortartige Schlussfolgerungen, ergibt sich folgende Liste. Die Silberne Operette wird im Innersten zusammengehalten von:

  1. Erotik bzw. sexuellen Anspielungen
  2. kunstvoller (oft ironischer) Distanz bzw. Stilisierung
  3. unfeinen, aber wirksamen Mitteln
  4. tänzerischer Bravour
  5. glamourösen Persönlichkeiten

Nur wenn ein Sänger mindestens drei dieser fünf Kriterien erfüllt, sollte man ihn auf die Operette 'loslassen'. Eine ausgebildete Opernstimme ist dabei nur in den wenigsten Fälle wichtig und falls überhaupt erforderlich, dann nur eine technische Voraussetzung, nicht das Wesentliche, nicht das, worauf es ankommt. Erst wenn die Operette wieder als "Gesang des Lasters und der Ekstase" und nicht als billiges Opernimitat aufgeführt wird, erst wenn der existenzialistische Funken in dieser Musik wieder zu spüren ist, kann es zu einer wirklichen Renaissance der Gattung kommen. Die Produktionen von den Pirates in New York und vom Rössl in Berlin sind nach wie vor richtungsweisende Beispiele für solch einen "historisch korrekten" Umgang mit der Gattung. [SEITE: 65 | SEITE: 66]

     Wie man in diese Richtung weiterarbeiten, die alten Aufnahmen als Vorbild nehmen und dennoch etwas ganz Eignes, Neues schaffen kann, bewiesen wiederum die Geschwister Pfister. In ihrer Show Have a Ball sangen die drei Entertainer 2002 Ábraháms Lied "Mausi, süß warst du heute nacht" (Traumton CD 4467). Man merkt der Interpretation an, dass das Trio die Aufnahme von Oscar Dénes, dem Sänger der Berliner Erstaufführung 1930, genau studiert hat und dennoch imstande ist, den Dénes-Stil in seinen eigenen, anderen Stil umwandeln. Herausgekommen ist die wohl beste Ábrahám-Interpretation der Nachkriegszeit. Sie ist Musterbeispiel für eine undogmatische und restlos überzeugende "historisch informierte Aufführungspraxis", von der man sich mehr Beispiele wünschte.

 

Abbildung 25:

Die Geschwister Pfister in der Kostümierung ihrer Show Have a Ball (2002),
wo sie u. a. Ábraháms "Mausi, süß warst du heute nacht" sangen

Damit schließt sich der Kreis und führt uns zurück zur anfänglich zitierten Barockoper und deren Revival dank der "Historischen Aufführungspraxis". Genau wie deren Protagonisten wäre auch der Operette zu wünschen, dass ihre Aus- und Aufführenden die Musikwelt (Kritiker, Musiker, Wissenschaftler, Liebhaber) aus tradierten falschen Hörgewohnheiten herausreißen und wieder mit Spielarten der Operette konfrontieren, in denen die akustisch überlieferten Gestaltungsmittel der Modernen Operettenrhetorik eingesetzt und im Bereich Artikulation, Phrasierung und Tempowahl die alten Wege 'neu' gegangen werden, Wege, die sich auf zu lange ignorierte Beschreibungen aus der Zeit vor 1933 berufen. [SEITE: 66 | SEITE: 67]

     Vielleicht 'kracht' und 'quietscht' es dann bei der Operette im Orchestergraben und oben auf der Bühne bald ebenso wie bei der Alten Musik, wenn sich jemand wie René Jacobs findet, um die großen Werke der Modernen Operette zu dirigieren oder Sängerinnen vom Format einer Cecilia Bartoli sich der entsprechenden Partien annähmen. Nur dann kann die Operette wieder zu jenem erregenden und anregenden Ereignis werden, das sie laut Überlieferung in der Zeit ihrer Entstehung tatsächlich war.

Klangbeispiel 18: 

Ralph Benatzky, "Im weißen Rössl" aus Das weiße Rössl,
mit Anneliese Rothenberger, Dir. Werner Schmidt-Boelcke, (Aufnahme: 1959)

Klangbeispiel 19: 

Ralph Benatzky, "Im weißen Rössl" aus Das weiße Rössl,
mit Max Hansen und dem Orchester Paul Godwin, Dir. Paul Godwin
(Aufnahme: 1930)

Abbildung 26:
Josphine Baker 1927 mit ihrem berühmten Bananen-Rock in einer Pose, wie sie auch in den Jazz- und Revueoperetten der 1920er Jahre zu sehen war.  [SEITE: 67 | SEITE: 68]
Lehárs Land des Lächelns-Librettist Fritz Löhner-Beda schrieb übrigens den Text
zum Schlager "Ausgerechnet Bananen", einem der größten Erfolge der Epoche, der zeigt, wie eng Operette, Schlager, Revue, USA und Berlin/Wien damals miteinander verbunden waren.
 



Fußnoten

1  M. Lehnert, W. Borchers, "Operetten-Cocktail", in: Das Opernglas, Dezember 2005, S. 72.
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2  Bertram Karl Steiner, "Operette und Existentialismus. Über ein schmerzstillendes Mittel", in: Erik Adam, Willi Rainer (Hrsg.), Das Land des Glücks. Österreich und seine Operetten, Klagenfurt/Celovec, Ljubljana/Laibach und Wien/Dunaj 1997, S. 22.
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3  Jürgen Kesting [1], Die großen Sänger, Düsseldorf 1986, Band 1, S. 38.
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4  Heinz Pringsheim, "Vorhalt und Vorschläge – Zur Aufführungspraxis der Musik des 18. Jahrhunderts", zit. nach Kesting [1], a. a. O., Band 1, S. 41-42.
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5  Uwe Schneider, "Operette im Truesound", in: Orpheus, November/Dezember 2005, S. 64.
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6  Hans Severius Ziegler, "Zum Geleit!", in: Reclams Operettenführer, Leipzig 1939, S. 1 ff.
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7  Siehe Inhaltsverzeichnis von Karl Westermeyer, Die Operette im Wandel des Zeitgeistes: von Offenbach bis zur Gegenwart, München 1931.
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[SEITE: 68 | SEITE: 69]

8  Vgl. hierzu Volker Klotz, "Der Widerspenstigen Lähmung: Der Feldzug des NS-Staats gegen die authentische Operette nach Art von Offenbach", in: Opernwelt, August 2005, S. 30 ff.
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9  Westermeyer, a. a. O., S. 107.
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10  Karl Farkas zit. n. Attila Láng, 200 Jahre Theater an der Wien, Wien 2001, S. 71.
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11  Harald Haslmayr, Artikel "Operette", in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite, neubearbeitete Ausgabe, hrsg. von Ludwig Finscher, Sachteil, Bd. 7, Kassel u. a. 1997, S. 727.
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12  Vgl. Eugen Semrau, Robert Stolz. Sein Leben. Seine Musik, Salzburg u. a. 2002, S. 24.
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13  Vgl. Patrick O'Connor, "A Viennese Whirl", in: The Gramophone, Oktober 2005, S. 48 ff.
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14  Bernard Grun, Kulturgeschichte der Operette, Berlin 1961, S. 343.
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15  "Franz Lehár, das muß wahrheitsgemäß festgestellt werden, war ein verblendeter Bewunderer Hitlers, besonders in der ersten Zeit des Unrechtsregimes. Mit seinem Lieblinglibrettisten Béla Jenbach sprach er unverblümt über die 'Bedeutung' des Naziführers, eine Einschätzung, die Jenbach als Jude natürlich nicht gelten ließ. Lehár in seiner Naivität, ganz benommen von der Gunst des Diktators, genoß es in vollen Zügen, als Lieblingskomponist Hitlers Persona grata zu sein." – Peter Herz, "Der Fall Lehár. Eine authentische Darlegung von –", in: Die Gemeinde, Wien, 24. April 1968.
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[SEITE: 69 | SEITE: 70]

16  Grun, a. a. O., S. 343-344.
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17  O'Connor, a. a. O., S. 48.
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18  Hans-Dieter Gelfert, Was ist Kitsch?, Göttingen 2000, S. 7.
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19  Gelfert, a. a. O., S. 40.
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20  Frage von Barbara Beyer an Regisseur Hans Neuenfels, in: Barbara Beyer (Hrsg.), Warum Oper? Gespräche mit Opernregisseuren, Berlin 2005, S. 84.
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21  H. K. J. [Hans-Klaus Jungheinrich], "Kammeroperette", in: Frankfurter Rundschau, 11. Oktober 2002.
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22  Siehe Anm. 12.
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23  Susan Sontag, "Anmerkungen zu 'Camp'", in: Kunst und Antikunst. 24 literarische Analysen, Frankfurt am Main 1982, S. 335.
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24  Ebd., S. 335.
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25  Ebd., S. 326.
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26  Schwarzkopf erfreute sich im Dritten Reich als Funktionärin des Studentenbundes und Mitglied der Partei der Unterstützung hoher Stellen des Propagandaministeriums. – Vgl. Robert Schlesinger, Gott sei unser Führer. Der Opernbetrieb im deutschen Faschismus, Wien 1997, S. 71.
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27  Elisabeth Schwarzkopf zit. n. O'Connor, a. a. O., S. 50.
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28  Alfred Polgar zit. n. Martin Lichtfuss, Operette im Ausverkauf: Studien zum Libretto des musikalischen Unterhaltungstheaters im Österreich der Zwischenkriegszeit, Wien 1989, S. 64.
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29  Otto Schneidereit, Fritzi Massary: Versuch eines Porträts, Berlin 1970, S. 12.
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30  Stefan Frey, Was sagt ihr zu diesem Erfolg. Franz Lehár und die Unterhaltungsmusik des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main und Leipzig 1999, S. 274-275.
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31  Bie. [o. A.], "Im Admiralspalast: Die Csárdásfürstin", in: Berliner Börsen-Courier, 3. Oktober 1930.
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32  M. L. [Moritz Loeb], "Die Czardas-Fürstin: Wieder-Eröffnung des Admiralspalastes", in: Berliner Morgenpost, 3. Oktober 1930.
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33  Stanley Green, Broadway Musicals: Show by Show, Milwaukee 1994, S. 258.
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34  Clive Barnes zit. n. Steven Suskin, Opening Night on Broadway: A Critical Quotebook of the Golden Era of the Musical Theatre, New York 1990, S. 722-723.
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35  Marcel Prawy in: Henry Grunwald (Hrsg.), Ein Walzer muss es sein...: Alfred Grünwald und die Wiener Operette, Wien 1991, S. 154.
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36  Max Raabe, "Ein reizvoller Gedanke", in: Opernwelt, November 2003, S. 40.
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37  Die Inszenierung wurde vom ZDF aufgezeichnet und ist auf Video erhältlich: Im Weißen Rössl: Die Inszenierung in der Berliner Bar jeder Vernunft, BMG/ZDF Video 7 43212 62303 1.
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38  Joachim Kronsbein, "Trampolin zum Glück", in: Der Spiegel, 10. Oktober 1994, S. 245-246.
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39  Detlef Friedrich, "Die Sänger an die Macht!", in: Berliner Zeitung, 11. Oktober 1994.
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40  Kronsbein, a. a. O., S. 246.
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41  [o. A.], "Elsie Altmann", in: Die Stunde (Wien), 5. März 1924.
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42  Elisabeth Moorgat, "Die Mode der Verkleidung", in: Portrait im Aufbruch. Photographie in Deutschland und Österreich 1900-1938, Ostfildern-Ruit 2005, S. 92-94, Zitat S. 92.
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43  Vgl. Volker Klotz, Operette. Porträt und Handbuch einer unerhörten Kunst, München und Zürich 1997 [durchgesehene Taschenbuchausgabe], S. 17 ff.
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44  Ebd., S. 15.
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45  "Was tät' das arme Herz, wenn es nicht hätte / das süße Gift, ein kleines bisserl Nikotin!" – Bruno Granichstaedten, Der Orlow (Klavierauszug zu 2 Händen), Wien 1925, S. 14.
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46  Gertrud Marischka, Biografie Hubert Marischkas [unveröff. Typoskript 1967], Archiv des Raimund Theaters Wien (o. Sig.), S. 50.
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47  "Harrison's mostly spoken and barely-sung performance of Higgins's songs gave a new respectability to the old style of patter performance. So much so, that he found himself thereafter credited by some as having invented the parlando style of delivery. […] What made the performance outstanding was not the fact that Harrison spoke through the musical lines, but the way in which he did it – elegantly and in a relaxed manner, taking the character of the spoken dialogue seamlessly through into the musical portions of the piece with the sublime und unselfconscious sense of self-superiority that makes Henry Higgins the eternal character he is." – Kurt Gänzl, The Blackwell Guide to the Musical Theatre on Record, Oxford 1990, S. 329.
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48  Paul Frank, "Die Zirkusprinzessin", in: Illustriertes Wiener Extrablatt, 27. März 1926.
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49  Gertrud Marischka, a. a. O., S. 44.
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50  Marcel Prawy, Marcel Prawy erzählt aus seinem Leben, Wien 2002, S. 204.
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51  Otto Schneidereit, Richard Tauber: Ein Leben – Eine Stimme, hrsg. von Volker Kühn, Berlin 2000, S. 56.
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52  Lichtfuss, a. a. O., S. 63.
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53  Jürgen Kesting [2], Die großen Sänger unseres Jahrhunderts, Düsseldorf u. a. 1993, S. 369.
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54  Ebd., S. 371.
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55  Vgl. Sontag, a. a. O., S. 326.
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56  "D[ie] Eigenart des Deutschen ist ein von flachen Sentimentalitäten freies Gefühlsleben, dessen Ausdruck das in allen Sprachen der Erde unübersetzbare Wort 'Gemüt' bildet. Der Jude hat an seine Stelle triefende Sentimentalitäten gesetzt. Ausdruck innigster und innerster Lebensfreude ist für uns im leichten beschwingten Tanz zu finden, der bei der jüdischen Operette zum schwülen Kampf der Geschlechter ausartete. Unser deutscher Humor war stets ein nur mit dem Gefühlsleben zu erfassendes Moment, ein heiteres Kind des Augenblicks, bestimmt, aus dem Alltagsleben zu lösen und einen sonnigen Optimismus zu verkörpern." – Friedrich Billerbeck-Gentz zit. n. Klaus Kieser, Das Gärtnerplatztheater in München 1932-1944. Zur Operette im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main u. a., S. 24.
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57  Otto Schneidereit, Berlin, wie es weint und lacht: Spaziergänge durch Berlins Operettengeschichte, Berlin 1973, S. 236.
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58  Karl Westermeyer, "Das Veilchen vom Montmartre", in: Berliner Tageblatt, 5. März 1931.
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59  Hanns Gutmann, "Ungarisches Quartett: Ball im Savoy", in: 12-Uhr-Blatt (Berlin), 24. Dezember 1932.
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60  Ebd.
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61  Gerhard Rohde, "Und alle Sommer wieder versinkt hier die ganze Welt: Ist die Operette nur tot oder doch unsterblich?", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. August 2004.
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62  Ebd.
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63  Harald Serafin zit. n. Bettina Steiner, "Es hilft nur eins – ÜBEN!", in: Die Bühne, Juli/August 2004, S. 86-87.
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64  Barbara Feldbacher, "Und wär's auch nichts als ein Traum vom Gl[ü]ck…", in: Applaus, November 2004, S. 38.
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65  Vgl. Kesting [1], a. a. O., S. 48.
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66  Ebd., S. 51.
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Dokument erstellt am 2. November 2006